Beim zweigleisigen Ausbau der Linie von Werdau nach Mehltheuer zwischen den Bahnhöfen Loitsch-Hohenleuben und Zeulenroda, unterer Bahnhof, mußte der 97 Meter lange Tunnel zwischen km 40,909 und km 41,006 in der Nähe des Haltepunktes Schüptitz aufgeschlitzt und durch einen Einschnitt ersetzt werden.
Der Tunnel war zweigleisig hergestellt, doch reichte sein lichter Querschnitt zur Aufnahme des zweiten Gleises mit einem Radius von 290 Metern und einem Abstand der Gleise von 3,6 Metern nicht aus. Er mußte entweder erweitert oder komplett beseitigt werden. Da die geschätzten Kosten für die erforderliche Erweiterung fast an die Kosten für das Aufschlitzen des Tunnels heranreichten, entschied man sich für den Abbruch.
Der Bau des Tunnels wurde 1873 begonnen, mußte aber 1876 in Folge von Zahlungsunfähigkeit der bauenden Eisenbahngesellschaft eingestellt werden. Die Unterbrechung dauerte sechs Jahre. Der Tunnel wurde 1883 fertig gestellt und am 15. November 1883 in Betrieb genommen.
Er führte durch einen von Südost nach Nordwest verlaufenden Ausläufer des Weinberges. Das durchstoßene Gebirge bestand aus mit Grauwacke durchsetztem Tonschiefer des unteren Kulms, der stark von Südost nach Nordwest einfiel. Der Tunnel war in einem Bogen mit einem Radius von etwa 240 Metern angelegt. Infolge dieses Richtungswechsels der Tunnelachse kann man von einem Ost- und einem Südportal sprechen. Dieser Richtungswechsel gegenüber der Lagerung des Tonschiefergebirges sollte während und nach dem Aufschlitzen nicht vorzusehende Schwierigkeiten verursachen. Da die Überlagerung über dem Gewölbe nur 14 bis 16 Meter betragen hat, ist anzunehmen, dass die Erbauer der Bahn die Anlage eines Tunnels der Herstellung eines Einschnittes vorzogen, um gegen etwa eintretende Rutschungen geschützt zu sein. Der Tunnel war vollständig ausgemauert, die Widerlager mit Bruchsteinen, das Gewölbe mit Klinkerziegeln in 50 cm Stärke. Nur die Portale waren auf 4 Meter Tiefe vollständig in bearbeiteten Sandsteinquadern hergestellt. Das Ziegelgewölbe war durch Fugen in verschieden große Teile zerlegt, die an den Portalen 2,5 Meter lang waren und nach dem Tunnelinneren sich bis zu 9 Meter vergrößerten. Die noch vorhandene Abnahmezeichnung zeigte in verschiedenen Profilen bis 2 Meter hohe Hohlräume über dem Gewölbe, die mit Aufbruchmaterial in Packlagergröße ausgesetzt waren.
Hatte man zunächst geplant, den unteren Teil des Einschnitts beidseits mit einer Neigung von 5 : 1 herzustellen, die dann bald in Neigungen 2 : 1, 1 : 1 und schließlich in den etwa in 1,5 Metern Stärke überlagernden, stark mit Steingeschiebe vermengten lehmigen Massen in eine Neigung von 1 : 1,5 übergehen sollte, so gelang dies infolge der ungünstig zur Bahnachse verlaufenden Lagerung des Tonschiefers nur auf der westlichen Seite des Einschnittes, während die östliche Einschnittböschung wesentlich flacher ausgestattet werden mußte. Hier war eine Neigung 2 : 1 anzulegen, die etwa alle 6 Meter Einschnittstiefe durch 1 Meter breite Bermen unterbrochen werden sollte. Die Bermen kam die Aufgabe zu, abrollende Verwitterungsbrocken aufzufangen. Der Schiefer ließ jedoch die scharfe Ausbildung dieser Bermen nicht überall zu. An solchen Stellen wurde die Böschung zwischen den Brechpunkten entsprechend verzogen, so dass eine flachere Neigung als 2 : 1 entstand. Durch den Richtungswechsel der Bahn gegenüber der Schichtung des anstehenden Schiefergebirges wurde das Gebirge an dem Südende des Einschnittes etwa senkrecht zur Lagerung des Schiefers durchfahren, während an dem Ostende des Einschnitts die Lagerung des Gebirges fast gleichlaufend zur Bahnachse verlief und während des Abbaus zum Abrutschen von etwa 100 m³ Massen führte.
Dass der Abtrag des Gebirges auch interessante geologische Aufschlüsse zeigte, war zu erwarten. Während der Arbeit wurde deshalb enge Fühlung mit dem geologischen Landesinstitut und mit dem diese Gegend durchforschenden örtlichen Geologen gehalten. Interessante Scherflächen und Ruschelzonen sowie eine Hakenbildung am Ostende wurden freigelegt.
Die Kenntnis von den stellenweise über dem Gewölbe vorhandenen Hohlräumen führte zu folgenden Vorschriften für den Abbau des überlagernden Gebirges, die in den Ausschreibungsbedingungen festgelegt wurden.
Zunächst sollten die überlagernden Massen bis auf eine etwa 1 Meter starke Felsenspannschicht über dem Gewölbe unter Berücksichtigung der vorhandenen Hohlräume abgebrochen werden. Die Ausschreibung wurden deshalb Querprofile des Tunnelgewölbes mit den eingetragenen Hohlräumen über dem Gewölbe beigegeben. Während des Abbaues bis auf die zunächststehende Gebirgsspannschicht war eine gute Sondierung durch lange Bohrer verlangt, dmit plötzliche, den Eisenbahnbetrieb durch den Tunnel gfährdende Belastung des Gewölbes vermieden wurde. Auch sollten die Bohrlöcher für Sprengungen so gerichtet sein, dass bei Sprengungen die Sprengwirkung nach dem Tunnelgewölbe möglichst vermieden wurde. Dem entsprechend waren auch die Stärken der Sprengladungen zu bemessen. Von der Bedingung, dass beim Abbau der letzten Felsenschicht über dem Gewölbe das Lösen der Massen gegebenfalls mit Keilen gefordert werden könnte, wenn befürchtet werden müßte, dass das Tunnelgewölbe durchschlagen werde, kam nur an sehr wenigen Stellen zur Anwendung.
Zur Sicherung des Eisenbahnbetriebes während des Abbaus der letzten, 1 Meter starken Felsspannschicht und des Gewölbes wurde vorgeschrieben, das Tunnelgewölbe mit Hilfe eines beweglichen Lehrgerüstes von einzelnen Jochen oder eines feststehenden auf die ganze Tunnellänge abzufangen. Für beide Arten wurden Preise eingefordert, die Entscheidung darüber, welches Gerüst verwendet werden sollte, aber bis zu dem Zeitpunkt hinausgeschoben, an dem es gebraucht wurde.
Um ein sorgfältiges Anschmiegen des Lehrgerüstes an das Tunnelprofil zu erzwingen, wurden die Kosten für etwa nötige Gleisverschwenkungen des Betriebsgleises, das leider sehr verschieden weit von der Tunnelachse entfernt ist, dem Unternehmer auferlegt.
Mit Rücksicht auf die vorgesehene Abbruchweise des überlagerten Gebirges wurde für die Berechnung des Lehrgerüstes vorgeschrieben, dass es außer dem Gewicht des 50 cm starken Tunnelgewölbes die zunächst zu belassende, etwa 1 Meter starke Felsenschicht mit mehrfacher Sicherheit zu tragen habe. Zum Schutze gegen abfallende Massenauf das Betriebsgleis wurde ein guter Bohlenbelag über dem Lehrbogen und ein besonderer Schutz an der Stirnseite des Lehrgerüstes gefordert. Außerdem war eine einfache Rauchschutztafel vorgesehen.
Die auszuführende Firma wählte ein fahrbares, eisernes Lehrgerüst aus fünf Jochen in 1,75 Meter Abstand, also von 7 Metern Länge. Die fünf Lehrbogen waren durch kräftige Verbände miteinander verbunden. Die einzelnen Binder waren als Dreigelenkbogen ausgebildet, die an den Füßen in die Laufrollenträger eingebaut waren. Der Scheitel des Lehrgerüstes war mittels eines Spindelgetriebes derart beweglich eingerichtet, dass das Lehrgerüst beim Vorfahren gelüftet und während des Abbruchs des Ziegelgewölbes an dieses angepresst werden konnte. Die Fortbewegung des Lehrgerüstes wurde durch je zwei sich auf einer Eisenbahnschiene bewegende Laufrollen an den beiderseitigen Fußträgern ermöglicht. Um die vier Laufrollen und das Spindelgetriebe während des Arbeitsbetriebes zu entlasten, wurde das Gerüst in den Stützpunkten und in allen Kämpfern unterkeilt und an den Scheitelpunkten durch Einführen von Drehbolzen festgelegt. Die Stützweite der Dreigelenkbogen betrug 7,65 Meter und die Höhe von der Oberkante der Fahrschiene bis zum Scheitelpunkte 5,70 Meter. Eine dreifache Sicherheit des Gerüstes wurde nachgewiesen.
Das Lehrgerüst wurde in Zugpausen von der Bergseite, die Linie steigt an dieser Stelle 1 : 100, am Südportal zusammen gesetzt und sodann in den Tunnel eingeschoben.
Der Unternehmer betrieb zunächst den Abbau der Gebirgsmassen mit Hand, entschloß sich aber nach einiger Zeit, einen ¾-m³-Löffelbagger auf Raupen einzusetzen, da sich herausstellte, dass sich das Schiefergebirge leicht durch Sprengen in kleine, leicht zu bewegende Felsbrocken in Grobschlag- und Packlagengröße zerkleinerte.
Der lichte Abbau der überlagernden Massen ermöglichte außerdem eine weitere, vorteilhafte Abweichung von dem vorgesehenen Arbeitsvorgang. Die 1 Meter starke Gebirgsspannschicht konnte lediglich unter dem Schutze des 50 cm starken Tunnelgewölbes abgebaut werden, und die Massen in den Gewölbezwickeln konnten bis zur Höhe der Gewölbewiderlager bis auf etwa 3 Meter über Schienenoberkante mit der auf dem Gewölbe liegenden Förderbahn abgefördert werden. So wurde das Tunnelgewölbe vor Beginn des eigentlichen Abbruchs vollständig freigelegt.
Der Abbruch des Gewölbes selbst folgte sodann in der Länge des Lehrgerüstes entsprechenden Streifen.
Die gewonnenen Massen wurden zum großen Teil unter Beimischung von lehmigen Massen zur Dammverbreiterung für das zweite Gleis verwendet, die übrigen Massen mußten in den Seitenablagerungen an den Tunnelenden geschüttet werden.
Insgesamt sind zur Herstellung des Einschnittes 33.000 m³ Massen gewonnen werden, Der Abtrag begann am 8. August 1929 und war am 7. Mai 1930 fertig gestellt. In der Zeit vom 9. September 1929 bis zum 14. März 1930 wurde mit Ausnahme des Januars 1930 in Tag- und Nachtschichten gearbeitet. Der Bagger war vom 23. September bis zum 9. Dezember 1929 angesetzt. In jeder Arbeitsschicht warn etwa 25 Mann beschäftigt.
Die Eisenbahnstrecke ist zweifellos durch den Abbruch des Tunnels übersichtlicher und deshalb betriebsicherer gestaltet worden.
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