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Von R. Loewel, Regierungs- und Baurat in Münster i.W. und Dr.-Ing. B. v. Willmann, Regierungsbaumeister in Erfurt. Zeitschrift für Bauwesen (Public Domain) Ausgabe LXIII.1913 (Public Domain) (Mit Abbildungen, die dem Blatt 16 im Atlas entnommen wurden, und die angezeigt werden, wenn auf Abbildung ... geklickt wird) I. Der Hönebachtunnel, km 199,344 bis km 200,326 der zweigleisigen Hauptbahn von Weißenfels nach Bebra, durchfährt unter einem flaehgewölbten Sattel die Wasserscheide zwischen Werra und Fulda. Der Tunnel wurde in den Jahren 1845 bis 1848 als ein Glied der »Kurhessischen Friedrich-Wilhelms-Nordbahn« erbaut. über seine Baugeschichte finden sich verstreute Mitteilungen in den Jahrgängen 1845 bis 1849 der Stuttgarter Eisenbahnzeitung. Die oberste Leitung des Bahnbaues lag in den Händen des belgischen Ingenieurs Splingard (»Er spricht kein Wort Deutsch, bringt aber einen Dolmetscher mit«), der Hönebachtunnel wurde ebenfalls einem Belgier unterstellt (»Ein belgischer Stationsingeniour besorgt den Tunnel in Hönebach und erhält 1.400 Reichstaler«), und auch der Unternehmer war ein Belgier, Goffard aus Lüttich, der den Tunnel mit den anschließenden Strecken, insgesamt 18.250 Fuß Bahnkörper, acht Durchlässe und einen Viadukt, für 671.000 Taler zu bauen übernahm. Diese recht ausgiebige Verwendung von Ausländem in maßgebenden Stellen wurde natürlich beanstandet und abfällig beurteilt. Das konnte aber nicht hindern, daß Lokomotiven und Schienen ebenfalls aus Belgien bezogen wurden, von Cockerill in Seraing. Die Ausführung des Tunnelbaues erfolgte von den Tunneltoren (späteren Tunnelportalen) und fünf Schächten aus nach belgischer Bauweise, mit voreilendem Sohlstollen. Das Gewölbe ist aus Feldbrandklinkern im kleinen Hamburger Format (22 cm lang; 10,5 cm breit; 5 cm hoch) in einzelnen, ohne Verband übereinandergelegten Ringen gemauert, in der Regel drei, unter den Schächten und an besonders druckhaften Stellen vier Steinlängen stark. Die Widerlager wurden aus hammerrechten Bruchsteinen errichtet Schätzenswerte Angaben über die Mörtelzusammensetzung enthält das »Bedingnisheft für die übernahme von Bauarbeiten an der Friedrich-Wilhelms-Nordbahn«, das auf den Seiten 76 und folgende im Jahrgang 1844 der genannten Zeitschrift zum Abdruck gebracht ist. »Der für das Tannelmauerwerk zu verwendende Mörtel wird zusammengesetzt werden aus zehn Teilen gelöschten Kalks, sieben Teilen Sand und drei Teilen pulverisierten Backsteins, Für den höchsten Teil des Gewölbes, und zwar in einem Gürtel von 4 Fuß Breite, sowie für die gesamte Galerie bis zu einer Entfernung von 15 Fuß zu beiden Seiten der Achse der Förderungsschachte, kommt ein aus gleichen Teilen Sand und Zement (aus der Kochschen Fabrik in Cassel) bereiteter Mörtel zur Anwendung.« An weniger nassen Stellen hat sich dieser mit Ziegelmehl versetzte Mörtel ausgezeichnet gehalten. Das durchörterte Gebirge gehört zum unteren Buntsandstein und besteht aus festeren, meist schwachen, sandigen Bänken im Wechsel mit lettigen Zwischenschichten. Die Lagerung ist im allgemeinen mehr oder weniger wagerecht, wurde aber durch den Tunnelbau örtlich gestört. Die bei den Wiederherstellungsarbeiten aufgeschlossenen Querschnitte zeigen häufig über dem Tunnel durchhängende Schichten. Auch natürliche Brüche wurden mehrfach angetroffen. Die Überlagerung ist nur gering. Noch in 150 Meter Entfernung von den Tunnelportalen beträgt sie wenig mehr als 20 Meter und übersteigt an keinem Punkte 40 Meter. Infolgedessen setzt sich der Durchgang der Schichten teilweise bis zur Oberfläche fort. Eine in der Plankammer des Belriebsarnts Eisenach aufbewahrte Darstellung aus der Zeit des Baues verzeichnet sechs zum Teil recht erhebliche Tagbrüohe, die bei den Wiederhersteliungsarbeiten auch wieder einsanken, den Arbeits stellen viel Wasser zuführten und sich zum Teil erheblich erweiterten (vgl. Abbildung 11). Recht unangenehm erwies sich schon beim Bau die ganz außergewöhnlich starke Wasserführung der durchfahrenen Schichten. In den kurzen Berichten der Eisenbahnzeitung über den Stand der Arbeiten wird fast regelmäßig erwähnt, der starke Wasserzudrang bereite große Schwierigkeiten. Auch das vollendete Bauwerk hatte naturgemäß durch die Einwirkungen der Gebirgswasser zu leiden, die bei dem Fehlen jeglicher Abdeckung und der meist sehr unregelmäßigen Gewölberückenfläche bald durch ausgespülte Fugen ihren Weg in das Tunnelinnere fanden. Als dann 1870 in folge der Einführung des neuen Normnlproftls die Gleise um zwei Fuß gesenkt werden mußten, wurde die Vorflut derart verschlechtert, daß man das eindringende Wasser nicht mehr abführen konnte und auf durchgreifende Abhilfe bedacht sein mußte. Der 1871 aufgestellte Plan, durch einen seitlich längs des Tunnels getriebenen Entwässerungsstollen eine Besserung der Verhältnisse heibeizuführeu, kam indes nicht zur Ausführung; wohl aus Mangel an Geldmitteln. Nach der Verstaatlichung im Jahr 1883 nahm man aber den Gedanken bald wieder auf. Ein Entwurf vom Dezember 1884, der ebenfalls die Herstellung eines Seitenstollens vorsah, wurde jedoch auch wieder verworfen, und nach eingehenden Vorerhebungen, Bohrungen usw. zog man stattdessen 1886 südwestlich vom Tunnel in der tiefsten Einsenkung des Sattels einen 2 Meter tiefen, mit Holz ausgebauten Entwässerungsgraben. Dieser Graben scheint auch eine Besserung gebracht zu haben. Durch die jahrelange Arbeit des Wassers war das Gewölbe aber so durchlässig geworden, daß, wenn auch wirklich die Wasserführung des Gebirges infolge der Wirkung des erwähnten Grabens geringer geworden war, dennoch immer mehr Wasser seinen Weg in den Tunnel fand. Der im Tunnel vorhandene Entwässerungskanal reichte nicht mehr aus, 1892 mußte ein neuer mit doppeltem Querschnitt an gelegt werden. Die Wasserdichtigkeit des Mauerwerks wurde damit freilich nicht besser. Zementspritzungen, Kalfaterungen und Flickereien brachten keinen Erfolg, namentlich begann der bei der steten Durchfeuchtung nicht wetterbeständige Sandstein der Widerlager immer mehr zu verwittern. So mußte man sich zu umfassenden Erneuerungsarbeiten entschließen. 1898 bis 1907 wurden nach und nach die Widerlager in 70 cm starkem Kalksteinmauerwerk in verlängertem Zementmörtel 2 : 3: ½ mit dahinterliegender 20 cm starker Betonschicht vollständig erneuert. Dabei legte man zur Entwässerung auf der Nordseite stellenweise Schotterschichten und Drainrohre, auf der zuletzt erneuerten Südseite durchweg eine 25 cm starke Basaltgrobschlagschicht und besondere Drainrohrstränge zwischen Widerlager und Gebirge. Der Fuß der Widerlager erhielt Schlitze, aus denen das Wasser in stark fallenden Drainrohren und grobschlagerfüllten Gräben dem Mittelkanal zugeführt wird. Inzwischen war der Zustand des Gewölbes immer bedenklicher geworden. Die für das Gewölbe verwendeten stark porösen Feldbrandklinker waren lastbeständig mit Wasser durchtränkt und verwitterten infolgedessen, namentlich in der Nähe der Tunnelportale, unter der Wirkung des Frostes. Hier war zuletzt der erste der drei übereinander liegenden Gewölberinge stellenweise ganz zerfressen, auch der zweite schon vielfach angegriffen. In immer kürzeren Zwischenräumen mußten die verwitterten Steine abgeschlagen werden, und im Winter verursachte die Beseitigung der mächtigen, stets nachwachsenden Eisbildungen viel Arbeit. Beispielsweise wurden nach besonders angeordneten Aufschreibungen im Januar und Februar 1908 von Gewölbe, Widerlagern und Gleisen etwa 30 cbm Eis losgehauen, um den Querschnitt freizuhalten. Hierzu waren einschließlich Bewachung 700 Tagewerke erforderlich. In der gleichen Zeit verlangte die Beseitigung von etwa 2 cbm losgewitterten Steinen einen Aufwand von 90 Tagewerken und neun Lokomotivtagewerken. Trotz regelmäßigen Abklopfens klagten aber die Lokomotivführer ständig darüber, daß beim Auspuffen der Maschinen Steine in großer Zahl vom Gewölbe herabfielen. Mit der Instandsetzung des Gewölbes durfte also nicht länger gewartet werden. II. Am wirksamsten wäre gänzliche Erneuerung gewesen. So zerstörend aber auch an der inneren Gewölbefläche Wasser und Frost im Verein mit den Rauchgasen gewirkt hatten, der Kern des Gewölbes machte einen durchaus festen Eindruck, so daß, auch nach Ansicht erfahrener Tunnelbauunternehmer, von einer Erneuerung abgesehen werden konnte, die nach den ersten, unverbindlichen Angeboten annähernd 2.000.000 Mark gekostet haben würde. Bei der Entschließung spielte die Rücksicht auf den Betrieb eine große Rolle. Bei der Gewölbeerneuerung hätte auf der sehr stark belasteten Strecke für eine Reihe von Jahren eingleisiger Betrieb eingeführt werden müssen, der sämtliche Zöge vor dem Tunnel auf Steigungen 1 : 100 zum Halten gezwungen hätte. Wasserdichte Abdeckungen waren dagegen in ähnlichen Fällen nach den eingezogenen Erkundigungen mit gutem Erfolg ohne Unterstützung des Gewölbes und ohne Störung des Betriebes ausgeführt worden. Auch die Anwendung des Wolfsholzschen Mörtelspritzverfahrens wurde in Erwägung gezogen; bei dem stark lettehaltigen Gebirge, an das das Gewölbe meist satt angemauert war, erschien aber der Erfolg zu unsicher. Es wurde deshalb beschlossen, den Gewölberücken freizulegen, die schadhaften Stellen auszubessem und eine wasserdichte Abdeckung aufzubringen. Die Ausführung war folgendermaßen gedacht:
Am 23. August 1908 begann der Stollenvortrieb auf der Ostseite. Dabei zeigte sich, daß das Mauerwerk auf dem Gewölberücken zwar vielfach unregelmäßig ausgeführt, aber doch noch in gutem Zustand war. Am 9. Februar 1909 wurde dann auch mit dem Stollenvortrieb von Westen her begonnen. Als im Juli 1909 der Stollen auf der Ostseite 600 Meter weit vorgedrungen war, wurde der Vortrieb hier ein gestellt und am 26. Juli mit der Ausweitung und Trockenlegung begonnen, Anfang Oktober stieß auch der westliche Stollenort mit dem Endpunkt des Oststollens zusammen, so daß am 2. Oktober auch hier der Seitenausbruch beginnen konnte. Um bei der Trockenlegung einen möglichst schnellen Arbeitsfortgang zu ermöglichen, ohne zu viel Gebirge im Zusammenhang auf Holz zu stellen, wurde nicht fortlaufend Ring an Ring ausgebrochen. Bei dem eingehaltenen Bauvorgang blieb vielmehr zunächst zwischen jedem »Einbruchring« ein »Sohlußring« von 3 Meter stehen, der erst ausgebrochen wurde, wenn die beiden nebenliegenden Einbruchringe fertig abgedeckt und ausgepackt waren. Anfangs wurden sogar immer nur halbe Ringe ausgebrochen, also schachbrettartig vorgegangen (Abbildung 12). Doch übte die ungleichmäßige Beanspruchung des Gewölbes eine ungünstige Wirkung aus, weshalb der schachbrettartige Abbau bald aufgegeben wurde. Um den Stollenquerschnitt für die Förderung der Baustoffe und Ausbruchmassen freizuhalten und der Gefahr einer Beschädigung der Abdeckung durch den daröberhingehenden Arbeiterverkehr vorzubeugen, blieb die Arbeit in dem mittleren, dem Stollen entsprechenden Streifen zurück; sie folgte der Fertigstellung des jeweils hintersten Schlußringes. Beim Schließen des Stollens konnten dann stets zwei Ringe zugleich in Angriff genommen werden, ein Einbruchring und ein Schlußring. So erstreckte sieh die Arbeit, ständig nach den Tunnelportalen zurückschreitend, immer über 8 bis 15 Ringe; die Länge des Arbeitsfeldes betrug also 24 bis 45 Meter. In dieser Strecke verteilten sich die Arbeiten etwa in der in Abbildung 13 dargestellten Weise. Wie im Tunnelbau üblich, wurde mit Tag- und Nachtschicht gearbeitet. Dabei vergingen vom Beginn des Ausbruchs bis zur Vollendung der Auspackung in einem Einbruchring 18 bis 22 Tage, in einem Schlußring 10 bis 14 Tage. Bei fortlaufendem Arbeiten Ring an Ring hätte man für jeden Ring etwa 15 Tage rechnen müssen, auf jeder Seite also nur 0,20 Meter täglichen Fortschritt erzielt. Das angewendete Ringwechselverfahren dagegen ermöglichte, nachdem alles eingearbeitet war, im Durchschnitt täglich die Fertigstellung von 1,20 Meter Länge auf jeder Seite. Der gewählte Arbeitsvorgang ist somit überall da als zweckmäßig zu bezeichnen, wo es auf möglichst schnelle Beendigung der Instandsetzung ankommt. Er hat aber eine eigentümliche Druckerscheinung im Gefolge. In den Einbruohringen liegt zwischen Fertigstellung der Seitenteile und dem Schließen des Stollens ein je nach Ausdehnung der Arbeitsstrecke längerer oder kürzerer Zeitraum. In dieser Zwischenzeit hat die seitliche Trockenmauerung Zeit zum Setzen. Das Gebirge über den Seiten, das auf der Trockenpackung auflagert, folgt nach und, da die Stollenzimmerung sich nicht auch entsprechend verkürzt, so wächst der auf sie ausgeübte Auflagerdruck, etwa so, wie bei einem Träger auf drei Stützen der Druck auf die Mittelstütze wächst, sobald die beiden Endstützon gesenkt werden; die Ständer fangen an, in die Kronhöizer einzubeißen. Wird im weiteren Verlauf der Arbeit in den nebenliegenden Schlußringen das Gebirge, das noch als stützender Pfeilerstand, weggebrochen, so sinkt das Gebirge weiter nach. Die Packung geht immer stärker zusammen, immer mehr steigert sich der auf die Zimmerung des Stollens ausgeübte Druck. Im Hönebachtunnel wurden an den schlimmsten Stellen die Kronholzständer trotz ihres Durchmessers von 35 bis 40 cm in die Kronhöizer völlig hineingebohrt und die 40 bis 45 cm starken Kronhöizer wohl auf die Hälfte zusammengopreßt. Einmal wurde ein Ständer sogar durch das 77 cm starke Gewölbe, dessen Fugen an dieser Stelle besonders stark ausgewaschen waren, hindurchgedrückt. Doch sind diese Druckerscheinungen bei guter Aufsicht nicht allzu bedenklich. Sobald der Druck den Höhepunkt seiner zerstörenden Kraft erreicht hat, ist seine Kraft auch schon nahezu gebrochen. Sobald durch die Zerstörung die Zimmerung um den Betrag verkürzt ist, um den sich die Packung gesetzt hat, findet das Gebirge auf der Trockenmauerung wieder ein Auflager, der vorübergehend auf die Stollenzimmerung vereinigt wirkende Druck verteilt sich wieder mehr oder weniger gleichmäßig über das ganze Gewölbe. Die Zimmerung war eine Jochzimmerung mit Querverpfählung. Die Ständer der Joche ruhten in den etwas breiter ausgebrochenen Einbruchringen auf dem alten Gewölbe der anschließenden Schlußringe, in den Schlußringen auf dem Verstärkungamauerwerk der nebenliegenden, bereits fertig abgedeckten und ausgepackteu Einbruchringe. Die Wandruten bekamen dadurch für Einbruch- und Sohlußringe die gleiche Länge, so daß sie beliebig verwandt werden konnten (vgl. Abbildung 1, Abbildung 2, sowie Abbildung 3 und 4). Die Auspackung wurde von unten nach oben sohichtenweise in ganzer Ringläpge ausgeführt. Die Wandruten ließen sich dabei der Reihe nach in den Stollen hinaufnehmen, sobald die Auspackung bis zu einer Wandrute fertig war, die von der betreffenden Wandrute getragenen Vorsteckbretter also von der Auspackung unterstützt wurden. Die Trockenlegungsarbeiten gingen anfangs glatt vonstatten, bis am 13. November 1909 plötzlich im Gewölbescheitel die in Abbildung 14 mit vollem Strich eingetragenen Längsrisse auftraten. Diese zeigt den Stand der Arbeiten an diesem Tage. Gleichzeitig traten vielfach kleine Kantenabsplitterungen an den Verblendsteinen in der unteren Gewölbehälfte ein. Die Widerlager hatten unter Zusammendrückung der dahinterliegenden Schotterschichten etwas nachgeben können, nachdem der feste Halt, den das Gewölbe vorher im Kämpfer am Gebirge hatte, ihm durch den Ausbruch des ärbeitsraumes für die Abdeckungsarbeiten genommen worden war. Die an stark ausgespülten und sehr druckbaren Stellen aufgetretenen Risse dehnten sich rasch aus, der stärkste bis zu 33 Meter Länge (Abbildung 14). Doch rissen von den zur Überwachung angebrachten Gipsbändern nur wenige und diese auch nur schwach, die größte Rißbreite betrug 4 mm, so daß die Arbeiten ihren Fortgang nehmen konnten. Folgende Anordnungen, wurden aber getroffen:
Während aber hier die Arbeiten in den noch offenen Ringen fertiggestellt wurden, brachte der 12. Dezember eine noch bedenklichere Erscheinung. Das ein Stein starke Mauerwerk des etwa 40 Meter hohen Entlüftungsschachtes IV, der inzwischen am Fuße einen Betonwulst erhalten hatte, stauchte sich über diesem Wulst zusammen, bekam Risse und Abblätterungen und schob sich übereinander (Siehe Abbildung 5). Gleichzeitig sprangen am Gewölbe links neben dem Schacht im Umfang von mehreren Quadratmetern bis zu 10 cm starke Schalen ab; der dumpfe Klang des Hammerschlages zeigte, daß die dahintersitzenden Gewölbesteine, an dieser Stelle Sandsteinquadem, ebenfalls zerdrückt waren. Die Lage war bedenklich. Wörde die nächste Minute den völligen Einsturz des seines Fußes beraubten Schachtes, würde sie den Zusammenbruch des Gewölbes an dieser Stelle bringen oder werden die gesunden Teile des Mauerwerks die erhöhte Beanspruchung noch ertragen können? Ist es notwendig, den Tunnel für den Betrieb zu sperren? Bei der außerordentlichen Wichtigkeit der Linie war die Entscheidung schwer. Sorgfältige Untersuchung und Beobachtung der Gefahrstelle ergab, daß zunächst ein Stillstand in der Zerstörung eingetreten war. Die Züge wurden daher zunächst vor dem Tunnel zum Halten gebracht und in langsamster Fahrt durch geführt. Sodann wurden weiter an Ort und Stelle folgende Maßnahmen getroffen:
Bei dem nun beginnenden Austrocknen der abgedeckten Gewölbeflächen zeigte sich, daß die Widerlager stellenweise naß blieben, die beabsichtigte Wasserabführung durch die drainrohrdurchzogenen Schotterschichten hinter den Widerlagern also nicht zuverlässig wirkte. Es wurde deshalb vom Einbau der Druckübertragungspfeiler in den einzelnen Ringen, die sich im übrigen durchaus bewährt hatten, wieder ab gegangen und dafür der durchgehende Einbau des bei Schacht IV bereits zur Anwendung gekommenen Betonklotzes unter Ausbildung seiner Oberfläche als Rinne angeordnet. Diese Rinne erhielt Gefälle nach den Tunnelnischen zu, hinter denen das Wasser in Abfallschächten auf die Tunnelsohle gelangt und in kleinen gemauerten Kanälen dem in der Tunnelachse liegenden Hauptkanal zufließt (vgl. Abbildung 16 bis Abbildung 18). Eine im Interesse der im Tunnel beschäftigten Bediensteten angeordnete Verdopplung der Zahl der Nischen verminderte deren Abstand auf etwa 30 Meter, so daß die Rinnen ein Gefälle von 1 : 25 erhalten konnten. Der Einbau des durchgehenden Betonklotzes war noch aus einem anderen Grunde wertvoll. Bei der Erneuerung der Widerlager war ihr Anschluß an das Gewölbe nicht durchweg gelungen. Die Hintermauerung der in Abbildung 6 und 7 mit 1, 2 und 3 bezeichneten obersten vielfach zerdrückten Verblendquadern wies äußerst zahlreiche und zum Teil recht ausgedehnte Hohlräume auf, die meist mit aus dem Gebirge ausgespültem, lettigem Sand gefüllt waren. Wenn nun diese Stellen auch nach Möglichkeit gereinigt und mit Mauerwerk, Beton und Gußzement ausgofüllt wurden, so blieben sie doch besonders gefährdete Stellen, denen das Hihterstampfen mit Beton eine sehr wertvolle Stütze gab. Die Anordnung der Betonversteifung am Kämpfer hat sich in jeder Beziehung bewährt. Die Arbeiten konnten zu Ende geführt werden, ohne daß sich wieder Risse gezeigt hätten. Ende Februar 1911 war die Abdeckung auf der Westseite, Mitte Mai desselben Jahres die ganze Trockenlegung fertiggestellt. Als schwierig erwies sich der Anschluß der wasserdichten Abdeckung an die fünf Luftschächte. Diesen Anschlüssen mußte ganz besondere Sorgfalt gewidmet werden. Ursprünglich war beabsichtigt, die alten Schächte zu erhalten, ihren Fuß in der aus Abbildung 5 ersichtlichen Weise mit einem Betonklotz zu umstampfen und auf dessen schräger Oberfläche die Abdeckung bis an das Schachtmauerwerk heranzuführen. Bei Schacht IV wurde in dieser Weise gearbeitet. Dabei traten die bereits geschilderten bedenklichen Zerdrückungen des alten Mauerwerks auf, die zur Erneuerung des untersten 3 Meter langen Teiles des Schachtes zwangen. Bei dieser Erneuerung, die wegen der Einsturzgefahr nur in schmalen Pfeilern vorgenommen werden konnte, gelang der dichte Anschluß an den stehenbleibenden Betonklotz nicht überall, stellenweise blieben die in Abbildung 19 angedeuteten senkrechten Spalten offen, was darauf zurückzuföhren ist, daß bei Schacht IV der Wasserandrang ganz besonders stark war. Die Schächte waren beim Neubau mit quadratischem Querschnitt abgeteuft, dann aber nach dem einbeschriebenen Kreis ausgemauert worden. Dabei hatte man die Ecken zum großen Teil mit Ziegeln nur trocken ausgepackt, so daß aus dem Schacht ein regelrechter Brunnen wurde, der alles Wasser an der Außenfläche des Schachtmauerwerks hinunter auf das Gewölbe strömen ließ. In dem noch frischen Mörtel fand das Wasser zwischen Betonklotz und neuem Mauerwerk seinen Weg unter die Abdeckung, um an der Innenfläche des Gewölbes wieder auszutreten. Erst nach erneuter Freilegung des Schachtfußes, die durch einen Einbruch vom Schacht aus vorgenommen wurde, gelang die Beseitigung dieser Fehlstelle, die übrigens bei der ganzen Trockenlegungsarbeit die einzige geblieben ist. Auf Grund der Erfahrungen bei Schacht IV wurden die anderen Schächte in ihrem untersten Teil schon vor ihrer Freilegung erneuert und an die glatte Außenfläche die Gewölbeabdeckung doppelt angeschlossen (Abbildung 20). Zuletzt wurde das Verfahren noch nach Abbildung 21 dahin abgeändert, daß bei der pfeilerweisen Erneuerung des Schaohtfußes zwei durchgehende Tektolith-Trennschichten eingelegt wurden, an die die Abdeckung sich unschwer anschließen ließ. Diese letzte Ausführung dürfte am meisten zu empfehlen sein. Die Schächte III und IV waren besonders baufällig und wasserdurchlässig. Im Winter vereiste ihre ganze Innenfläche, bei Tauwetter gingen dann große Mengen von Eis und losgewitterten Steinen nieder. Die Ausmauerung dieser Schächte mußte daher vollständig abgebrochen und erneuert werden. Hierbei wurde die in Abbildung 9 und 10 wiedergegebene Eisenrüstung benutzt, die sich als sehr zweckmäßig erwies. Große Sorgfalt wurde, namentlich bei dem sehr wasserreichen Schacht IV, darauf verwandt, daß in dem untersten Teil, von der Auspackung an etwa 5 Meter hoch, das neue Mauerwerk an durchaus gesundes Gebirge dicht angeschlossen wurde. Alle alten Mauerreste, alles verwitterte Gebirge, alle lehmigen Bestandteile wurden hier mit peinlicher Sorgfalt entfernt, und damit wurde er reicht, daß das aus den oberen Schichten zuatröraende Wasser vom Tunnel abgehalten und in höheren Schichten zum Abfluß gebracht wurde. Sämtliche Leistungen wurden nach Aufmaß alsbald in eine schematische Darstellung der Gewölberückenabwicklung eingetragen, und die Eintragungen vom Unternehmer anerkannt. Dem Aufmaß der Leistungen wurden noch Angaben über Beginn und Beendigung der einzelnen Arbeiten, über besondere Vorkommnisse, starken Druck oder Wasserandrang beigefügt. So werden diese Aufzeichnungen in Verbindung mit der ebenfalls durchgeführten Aufnahme und Auftragung des Gesteinsbefundes bei später etwa auszuföhrenden Arbeiten genauen Aufschluß darüber geben, welcher Zustand an jeder Stelle zu erwarten ist. III. Die umfangreichen Arbeiten, die für die Wiederherstellung der inneren Gewölbeleibung erforderlich waren, wurden erst im Juli 1910 in Angriff genommen, als bereits ein großer Teil der Trockenlegung beendet war und das Gewölbe in diesem abgedeckten Teil als ausgetrocknet angesehen werden konnte. Diese Arbeiten mußten auch dauernd hinter der Trockenlegung zurück bleiben und konnten daher erst Ende August 1911 vollendet werden. Vorgesehen waren im Vertrag für die Ausbesserung neun verschiedene Posten, von denen einer die Behandlung der wenigen hausteinverblendeten Flächen, zwei die Behandlung des noch brauchbaren Ziegeigewölbes und sechs die Erneuerung der verwitterten Gewölbeteile in verschiedener, von ½ zu ½ Stein abgestufter Stärke betrafen. Für vollständige Erneuerung des Gewölbes, einschließlich wasserdichter Abdeckung, war ein zehnter Posten aufgenommen, um für alle Fälle feste Preise zu haben; indes kamen nach diesem Posten keine Arbeiten zur Ausführung. Alles Mauerwerk, das nach einer der vorerwähnten sechs Posten als Ersatz für verwitterte Gewölbeteile neu eingesetzt werden mußte, wurde nicht auf trockener Schalung, sondern in einem auf dieser ausgebreiteten, satten Mörtelbett gewölbt, so daß es bereits nach dem Ausschalen mit dauerhaftem Putz überzogen war. Vor mehreren Jahren waren einige Stellen im Gewölbe in dieser Weise ausgeflickt worden. Der tadellose Zustand dieses mehrere Jahre alten Putzes gab Veranlassung, das Verfahren jetzt durchweg anzuwenden. Die quaderverblendeten Flächen des Gewölbes wurden neu verfugt. Die Flächen noch brauchbaren Ziegeigewölbes sollten ursprünglich ebenfalls neu verfugt werden. Aber während das Fugen der Hausteinflächen keine Schwierigkeiten bot, erwies sich das Fugen des, wie erwähnt, aus kleinen Hamburger Steinen hergestellten Ziegeigewölbes als untunlich. Beim Reinigen der Fugen sprangen die stets mehr oder weniger verwitterten Köpfe oder die Kanten der Ziegel ab. Auf Grund der guten Erfahrungen mit dem Zementputz, der in der erwähnten Weise gleich beim Wölben geschaffen worden war, ging man daher dazu über, statt des undurchführbaren Neufugens die Flächen noch brauchbaren Ziegeigewölbes durch Abspitzen von der vordersten, verwitterten Schicht zu reinigen und das dahinterliegende gesunde Mauerwerk durch Zementputz 1 : 2 vor weiteren Witferungsangriffen zu schützen; ein Verfahren, für das ein Preis ebenfalls vereinbart war. Der Zementputz wurde zuerst als rauher Rapputz aufgetragen, hat sich indes als solcher nicht bewährt Nach einiger Zeit traten an vereinzelten Stellen der frisch verputzten Flächen, unregelmäßig über das Gewölbe verteilt, kleine weiße Flecken auf. Bei näherer Betrachtung erkannte man eine weiche, schwammig vor die Putzfläcbe vorgelagerte, weiße Masse, die sich glatt und geschmeidig anfühlte, mit zunehmender Austrocknung faulem Gips ähnlich wurde und schließlich abblätterte. Der bei der Gewölbewiederherstellurg verwendete Zement war regelmäßig untersucht und stets für tadellos befunden worden. Bei allen übrigen Arbeiten hatte er auch in durchaus normaler Weise abgebunden, an fehlerhaftem Zement konnte die Zersetzung nicht liegen. Die einzige Erklärungsmöglichkeit lag in der Annahme einer Verwandlung des im Zement enthaltenen Kalkes in Gips durch Aufnahme schwefliger Säure aus den Lokomotivgasen.
Spalte I der vorstehenden Zusammenstellung enthält die Analyse des Prüfungsamtes, Spalte II gibt die nach Ausscheidung von Wasser (23,49 v H.) und Sand (21,51 v H.) wieder in Hundertteile umgerechneten Werte zum Vergleich mit der in Spalte III aufgeführten Zusammensetzung der Vereinszemente nach dem Durchschnitt des Jahres 1909. Dem Materialprüfungsamt waren die näheren Umstände, unter denen die Zersetzung stattfand, nicht bekannt. Es kam daher zu dem Schlüsse, die chemische Zusammensetzung lasse vermuten, die Zersetzung sei durch Gipslösung und Kohlensäure erfolgt. Daß Gipslösung und Kohlensäure in ähnlicher Weise zersetzend wirken können, ist bekannt. Zersetzungserscheinungen im Stollen II des Simplontunnels, der zur Ableitung der teilweise gips- und kohlensäurehaltigen Wasser dient, wurden, auf diese Ursachen zurückgeführt. Im vorliegenden Falle kann die Zersetzungsursache aber nur in der Kohlensäure und namentlich in der schwefligen Säure gesucht werden, die in den Lokomotivgasen enthalten ist und gemeinsam mit dem Abdampf den Mörtel während des Abbindens abspülte, so daß der eingangs beschriebene Prozeß vor sich gehen konnte. Möglich ist es auch, daß außerdem noch schweflige Säure wirksam wurde, die während der langen Zeit seit Inbetriebnahme des Tunnels von den ziemlich porösen Ziegeln, aus denen das Gewölbe besteht, aufgesogen und in ihnen angesammelt wurde. Daß die Zerstörung zum Teil hierauf zurückzuführen ist, dürfte daraus hervorgeben, daß sie auch an einigen der neu verstrichenen. Fugen in den quaderverblendeten Gewölbe teilen auftrat und ebenso an den 1898 bis 1907 erneuerten Widerlagern an solchen Stellen, wo diese besonders naß gewesen waren. Für die Flecken an den frisch verputzten Flächen aber erscheint ein Einfluß von im Gewölbe angesammelter Schwefelsäure wenig wahrscheinlich, da hier die vorderste, möglicherweise schwefelsäurehaltige Schicht beseitigt wurde und außerdem infolge bereits durohgeführter Abdeckung kein Wasser mehr nach vorn durchspülen konnte. Auch die Tatsache, daß die Zersetzung am stärksten im Scheitel des Gewölbes auftrat, läßt darauf schließen, daß hier nur die durch die Lokomotivgase frisch zugeführte schweflige Säure wirkte. Denn namentlich der Scheitel des Gewölbes wurde von den Rauchgasen bespült und war infolge des sich niederschkgenden Abdampfes außer bei sehr trockener Witterung stets feucht. Die Rauhigkeit des Rapputzes ver größerte noch die den Rauchgasen ausgesetzte Oberfläche, und in der rauhen Fläche hielt sich das säurehaltige Niederschlagswasser lange Zeit. Sobald die Zersetzungsursache erkannt war, wurde daher der Putz nicht mehr rauh, sondern glatt gestrichen aufgetragen. An diesem glatten Putz sind die Zersetzungserscheinungen nicht mehr aufgetreten. Wesentlich scheint vor allem zu sein, daß der Zement während des Abbindens vor einer Umspülung durch die Rauchgase geschützt wird. Wie erwähnt wurde alles neue Mauerwerk gleich beim Wölben dadurch mit einer Putzsohicht überzogen, daß in einem auf der dicht geschlossenen Schalung ausgebreiteten Mörtelbett gewölbt wurde. An dem auf diese Weise hergestellten Putz, der während des Abbindens vor den schädlichen Einflüssen der schwefligen Säure geschützt war, wurde die Zersetzung trotz der Rauhigkeit, die Schalbretter waren nicht gehobelt, nicht beobachtet. Zur Vornahme aller an der Innenleibung des Tunnelgewölbes auszufübrenden Arbeiten waren verschiebbare Gerüste aufgestellt, die im Aufbau im wesentlichen den festen Röstböcken (Abbildung 23) glichen, nur entsprechend leichter gehalten waren. Die Zufuhr der Baustoffe und die Abfuhr des Bauschuttes sollte durch Arbeitszüge auf. dem Betriebsgleis bewirkt werden, weshalb beim Entwerfen der Böcke auf Wahrung der Möglichkeit, ein Arbeitsgleis in den Tunnel legen zu können, kein besonderer Wert gelegt worden war. Die ersten Gerüste ruhten auf Radsätzen und wurden auf Gleisen bewegt; mit Rücksicht auf die schmale Spur der vorhandenen Radsätze standen die seitlichen Ständer einander sehr nahe. Es zeigte sich aber, daß wegen der sehr kurzen Zugpausen das Sohuttabfahren mit Bauzügen allein sowohl für den Unternehmer als auch für die Verwaltung zu teuer wurde. Auch konnte nicht genug gefördert werden. Der Aufbau der später beschafften Böcke wurde daher geändert. Die Ständer wurden weiter gestellt und die hohen Radsätze durch niedrige Walzen ersetzt, mit denen sich die Fortbewegung auf hölzernen Langschwellen ebenso leicht vollzog. Nun konnte ein Schmalspurgleis seitlich zwischen den Ständern durch die Böcke durchgeführt werden. Die neuen Böcke wurden auf der Ostseite aufgestellt, von wo das Arbeitsgleis kam, während die eng gebauten alten Gerüste auf der Westseite, mit der Arbeit nach dem Westportal vorrückend, weiter Verwendung finden konnten. Für die beweglichen Gerüste wurde eine besondere Vergütung nicht gewährt. Ebenso wie die Arbeiten auf dem Gewölberücken wurden auch die Arbeiten an der Innenleibung unmittelbar nach Aufmaß in eine schematische Zeichnung eingetragen. Zur Erleichterung der späteren Abrechnung war, wie die linke Text-Abbildung 1 zeigt, neben der Leibungsabwicklung für jeden in Betracht zu ziehenden. Vertragsposten eine besondere Spalte angelegt. Für jeden einer öerüstlänge entsprechenden, in der Regel 4 Meter langen Gewölbeabschnitt wurden die ermittelten Leistungen in den zugehörigen Spalten vermerkt und die Eintragungen an der hierfür vorgesehenen Stelle vom Unternehmer anerkannt, so daß bei Vollendung der Arbeit die Abrechnung, die bei einem anderen Verfahren recht verwickelt hätte werden können, schon fast fertig vorlag und trotz der mancherlei Zwischenfalle bei der Bauausführung glatt und rasch verlief. Diese ständige Abrechnung ermöglichte es auch, dauernd den Überblick über den Stand des Baufonds zu behalten, der leicht hätte verloren gehen können. Denn was an jeder Stelle zur Wiederherstellung des Gewölbes zu geschehen habe, ließ sich nur von Zone zu Zone nach Vorschieben des Gerüstes auf Grund eingehender Untersuchung bestimmen. Dabei war der Kostenunterschied zwischen den einzelnen Posten sehr erheblich, z. B. zwischen Putzen und Mauerwerkserneuerung in 1 Stein Stärke rund 200 Mark für 1 Meter Tunneilänge. Um nötigenfalls eine überschreitung rechtzeitig anmelden zu können, wurden deshalb auf Grund der erwähnten Unterlagen für die Abrechnung fortlaufend über die Kosten der Arbeiten an der Innenleibung eine Zusammenstellung in Tafelform und eine zeichnerische Darstellung geführt. Die zeichnerische Darstellung zeigt rechts die Text-Abbildung 2. Auf der Abszissenachse ist die Länge, bzw. die Kilometerteilung des Tunnels aufgetragen, als Ordinate zunächst ein Maß für die Flächen der auf der betreffenden Strecke nach den Posten des Vertrages geleisteten Arbeiten. Mittels eines geeigneten Umwandlungsmaßstabes wurden diese Flächen dann zeichnerisch in die Kosten umgerechnet und diese als neue Ordinaten aufgetragen. IV. Die im vorstehenden geschilderten Arbeiten forderten (ohne die Widerlagermauerung) einen Aufwand von rund 900.000 Mark, die sich im einzelnen folgendermaßen verteilen:
In der rechts zu sehenden Text-Abbildung 3 ist diese Verteilung der Kosten zur besseren Übersicht noch bildlich dargestellt. Bei der Abnahme war das Gewölbe vollständig trocken. Wenn also auch die Arbeiten erfolgreich gewesen sind, so kann doch kein Zweifel darüber bestehen, daß ein derart ausgebessertes Gewölbe nicht die Festigkeit einer Neuwölbung aufweisen kann. In einem geflickten und verstärkten Gewölbe muß eine ungleich mäßige Spannungsverteilung herrschen, etwa nach Text-Abbildung 4. Das alte Mauerwerk steht unter Druck und ist dementsprechend zusammengepreßt, während die neuen Teile zunächst spannungslos eingefügt werden. Erst bei einer Zunahme der Gewölbebelastung, die ja allerdings bei solchen Trockenlegungsarbeiten infolge der Beunruhigung des Gebirges unausbleiblich ist, beginnt das neue Mauerwerk an der Druckübertragung teilzunehmen. Doch wird hierbei, wenigstens anfangs, auch die Beanspruchung der alten, teilweise schon bis zur Grenze des Zulässigen gepreßten Gewölbeteile einen Zuwachs erfahren. Inwieweit dabei infolge verschiedener Elastizitätsmaße des neuen spannungslosen und des alten gedrückten Mauerwerks, der alten und der neuen Steine, allmählich ein Spannungsausgleioh stattfindet, inwieweit vielleicht das durch die Austrocknung herbeigeführte Schwinden des alten Mauerwerks dazu beiträgt, die Beanspruchungen auf die neuen Teile zu übertragen, entzieht sich jeder Berechnung. Wegen dieser Unsicherheit und wegen der zahlreichen Zufälligkeiten, die die Spannungsverteilung günstig oder ungünstig beeinflussen können, dürfte es sich in ähnlichen Fällen empfehlen, von vornherein die Nachteile des eingleisigen Betriebes während der Bauzeit und die höheren Kosten nicht zu scheuen und das Mauerwerk ganz zu erneuern; besonders da, wo das Mauerwerk aus mehreren ohne Verband übereinandergelegten Ringen besteht, die, wie sich beim Hönebachtunnel gezeigt hat, das Bestreben haben, bei der durch die Abdeckung erzielten Austrocknung eich voneinander abzulösen. Zum Schluß sei noch auf einige Folgerungen hingewiesen, die sich aus den Erfahrungen beim Umbau des Hönebachtunnels, insbesondere auch aus dem Befund des alten Tunnelmauerwerks ergeben, Wirkung besonders schädlich. Im Gewölbe des Höuebachtunnels ließ sich an den Ablagerungen feinsten eingeschlänimten Sandes die weite Erstreckung der Wasseradern deutlich verfolgen. 1. Schädlich ist die Herstellung des Gewölbes aus einzelnen, ohne Verband ühereinandergelegten Ringen. Infolge der zylindrisch durch das ganze Gewölbe durch setzenden Fuge besteht, namentlich bei belgischer Bauweise, die Gefahr, daß sich die übereinanderliegenden Ringe als Schalen voneinander abtrennen. Gelangt nun durch eine undichte Radialfuge des hintersten Ringes Gebirgswasser auf die klaffend gewordene hinterste Zylinderfuge, so erfüllt es diese so weit, bis es im vorliegenden Ring wieder in einer Radialfuge einen Ausgang findet. So erreicht das Wasser die nächste Zylinderfuge und im weiteren Verlauf schließlich das Tunnelinnere, siehe Text-Abbildung 5. Die weite Erstreckung der Zylinderfuge sorgt dafür, daß das Wasser weit im Gewölbe verteilt wird. Der lange Weg, den das Wasser ausspülend durchläuft, bis es in das Tunnelinnere gelangt, macht seine Wirkung besonders schädlich. Im Gewölbe des Hönebachtunnels ließ sich an den Ablagerungen feinsten eingeschlämmten Sanden die weite Erstreckung der Wasseradern deutlich verfolgen. 2. Schädlich ist das kreisringförmige äuskleiden eines mit quadratischem Querschnitt abgeteuften Lüftungsachachtes, wenn dabei die Ecken nicht voll ausgemauert, sondern nur trocken ausgepackt werden. Wie in einem Brunnen sammeln sich in mehr oder weniger großem Umkreis alle Gebirgswasser in diesen Packungen und werden dadurch dem Gewölberöcken geradezu künstlich angeführt. 3. Schädlich ist das Hinterpacken der Widerlager, wenn dabei nicht wenigstens am Kämpfer ein fester Anschluß an das Gebirge geschaffen wird. Eine Trockenpackung läßt sich stets mehr oder weniger stark zusammenpressen. Da die Widerlager niemals stark genug ausgeführt werden, um den Wölbschub nach der Sohle übertragen zu können, so weichen sie bei zunehmendem Druck so weit aus, bis die Packung der Druckzunahme entsprechend zusammengedrückt ist. Risse in der Nähe des Scheitels sind die Folge (vgl. Abbildung 14 und Abbildung 15). 4. Schädlich ist es, bei Tunnelunterhaltungsarbeiten nasse Stellen durch Kalfatern der Fugen, Vorflioken von neuem Mauerwerk, Vorpressen von Zementmörtel oder irgendein anderes zum Abdichten der Tunnelinnenleibung dienendes Mittel beseitigen zu wollen, wenn nicht gleichzeitig auch der Gewölberücken wasserdicht abgedeckt wird. Wird dem Wasser nur der Austritt aus dem Gewölbe, nicht aber auch das Eindringen in das Mauerwerk verwehrt, so staut es sich darin auf, verteilt sich über immer weitere Gewölbeteile und wirkt verrottend auf Mörtel und Mauerwerk. Text-Abbildung 6 zeigt in halbperspektivischer Darstellung die Oberansicht eines Ge wölberöckenstuckea des Hönebachtunncls an einer Stelle, an der vor längerer Zeit aus guten Klinkern mit Zementmörtel eine wasserdichte Schale vorgefliokt worden war. Bei der Freilegung zeigte sich hinter dieser Schale das alte Gewölbe in dem aus Text-Abbildung 6 und den bei gefügten Schnitten ersichtlichen Umfang vollständig zerstört. Statt in Mörtel lagen die Ziegel in Lehm gebettet und ließen sich ohne Beihilfe eines Werkzeuges von Hand herausnehmen. 5. Zwecklos sind Versuche, durch Hinterspritzen mit Zement ein Gewölbe zu dichten überall da, wo eine trockene Hinterpackung aus verwitterten Steinen fehlt und das Gebirge lehmhaltig ist, Im Hönebachtmmel wurden größere Flächen des Gewöiberückens freigelegt, die man in früheren Jahren ohne jeden Erfolg durch Zementeinspritzungen zu dichten versucht hatte. Bei der Freilegung ließen sich die Ursachen für das Versagen dieses Verfahrens klar erkennen, Gewölberöcken, hinterpaokte Steine, losgebrochenes und anstehendes Gebirge waren fast durchweg mit einer feinen Schicht von Lehm und Sand überzogen, wodurch die Berührungsstellen der einzelnen Teile zu verhältnismäßig großen Flächen wurden. Wenn nun auch nach dem Einspritzen zunächst der Zement alle Hohlräume ausfüllte, so fand doch das Gebirgswaeser in den Schichten lehmigen Sandes (Abbildung 8) den Weg zum Mauerwerk und wusch sich in kurzer Zeit wieder in diesen feinen Höllschichten seine Adern aus. Herr August Wolfsholz-Berlin sucht bei seiner Tunnelrückenbetonierung durch kräftiges Vorspülen diesem Mißstand zu begegnen und hat damit in Fällen, wo eine ausreichend starke, noch nicht zu alte und infolgedessen noch nicht verschlammte Trockenpackung vorhanden war, wie 1908 im St. Bernard-Tunnel bei Metz, schöne Erfolge erzielt. So wie auch zwischen 1906 und 1907 im Ender Tunnel und 1910 im Engelberg-Tunnel. Sobald aber eine Trockenpackung fehlt, sobald sie aus leicht verwitterndem Gestein besteht und bei lehmigem Gebirge nützt alles Vorspulen nichts. Mißerfolge, wie sie das Wolfsholzsche Verfahren zum Beispiel im Nied-Altdorfer Tunnel zeigte, sind in solchen Fällen unvermeidlich. Vor Anwendung der Rückenbetoniemng sollte man daher sehr vorsichtig die vorliegenden Verhältnisse prüfen. Anwendung an falscher Stelle ist nur geeignet, durch Mißerfolge das unter Umstanden sehr zweckmäßige und namentlich in der vom Geheimen Regierungsrat Prof. Dr.-Ing. Dolezalek vorgesohlagenen Weise für Tunnelneubauten gute Ergebnisse versprechende Verfahren in Mißkredit zu bringen. |
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Quellen: Der Text wurde der Zeitschrift für Bauwesen, Ausgabe LXIII 1913 entnommen. Die Bilder zum Text entstammen dem Atlas zur Zeitschrift für Bauweisen, Ausgabe LXIII 1913. Der kursive Text wurde vom Webseitenbetreiber eingefügt. |
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BR 01 der DDR-Reichsbahn verlässt das Westportal, fotografiert von Peter Große im Mai 1973 (Ein Klick ins Bild öffnet ein größeres Bild) |
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