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Strecke 6298: Baugeschichte des Brandleite-Tunnels

Ich weiß nicht, wieviel Züge täglich von Oberhof in Richtung Gehl­berg oder umgekehrt verkehren, aber ständig, kurz nach­dem der Zug einen der beiden Bahn­höfe langsam verläßt, schrillt hellauf die Dampf­pfeife der Loko­motive. Der Fahr­gast weiß Bescheid, schnell springt er zum Fenster und schließt mit einem Krach das Abteil­fenster, die Ein­fahrt in den 3.039 Me­ter langen Brand­leite-Tunnel beginnt, und für mehrere Minuten wer­den wir des lachenden Thü­ringer Him­mels entzogen. In der Tunnel­mitte befinden wir uns genau 240 Me­ter unter dem Renn­steig. Hier ist die Wasser­scheide zwischen Elbe und We­ser. So eine künst­lich herge­stellte Riesen­höhle quer durch den Berg ver­dient unsere Bewun­derung und kaum kann man sich vor­stellen, welche Mühen ein der­artiges kühnes Bau­werk ver­ur­sacht haben mag, von den unge­heuren Kosten ganz zu schwei­gen. Vor mehr als 50 Jahren wurde der erste Spaten­stich zu dem ge­wal­tigen Werk getan. Be­denken wir, man stand zu jener Zeit erst am An­fang der Er­schlie­ßung unseres Vater­landes durch Eisen­bahnen. Für viele der dama­ligen Zeit­ge­nossen mag der Durch­stich des Ber­ges für eine Schienen­straße als über­flüs­sig ange­sehen worden sein, aber getra­gen von einer zukunft­reichen und weit­sichtigen Verkehrs­politik wurde der Bau­plan in die Wirk­lich­keit umge­setzt und wurde nach Voll­endung als ein großes Werk deut­scher Ingenieur­kunst gefeiert. Nord- und Süd­deutsch­land waren (sich) durch eine neue Verkehrs­straße näher gerückt.

Qualm aus dem Ostportal des Brandleite-Tunnels (Foto: Karlheinz Dörner)
Westportal des Brandleite-Tunnels (Photo: Löffler)
  Es begann damit, daß »allerlei« Arbeiter die vordem stil­le Gegend des Thü­ringer Waldes bevöl­kerten. Stolz vermel­dete Ober­hof einen Zuwachs von 40 Ein­wohnern. Es war hin­gegen unmöglich, das ganze Heer der Schaf­fenden in Ober­hof unter­zu­bringen. So ent­stan­den dann in Lange­bach, dem heu­tigen Ost­eingang, viele neue Wohn­häuser, teils in ein­facher Ba­racken­art. Auch nach der Gehl­berger Mühle zu wuchsen weitere Bauten wie Pilze aus der Erde, die alle als Arbeiter­wohnungen dienen mußten. Neben den Ein­hei­mischen waren es Bayern, Schlesier, Italiener, Polen und Böhmen, die sich als gute Erd­ar­beiter bewähr­ten. Vor­nehm­lich aber die Italiener wurden verlangt, die damals gerade vom St.-Gott­hard-Tunnel kamen, der in zehn­jähriger Ar­beit voll­endet worden war. Um die Arbeit zu be­schleu­nigen, wurde neben den Durch­brüchen von beiden Seiten auch noch von der Höhe ein Schacht in die Tie­fe ge­trieben, um so ge­wis­ser­maßen auch in Tunnel­mitte be­gin­nen zu kön­nen. Bei einer Spren­gung brach aber ein unter­ir­discher Wasser­lauf durch, und der Schacht ver­soff voll­ständig. Mit großer Wucht und Schnel­ligkeit brachen unge­heure Wasser­massen her­vor, Boh­len und Bal­ken mit sich reißend. Kaum konn­ten sich die Ar­beiter ret­ten. Hier konnte nicht mehr wei­ter ge­ar­beitet wer­den, trotz eifrig­ster Be­mü­hungen ver­liefen sich die Wasser­massen erst, als man sich vom Tunnel­eingang her dem Arbeits­platz näherte.

Von den Sei­ten her gingen die Arbei­ten wacker vor­wärts. Leicht war es nicht, da das Ge­stein unge­heuer hart war. Un­unter­brochen wurde gear­beitet. Über zwei Jahre wühlte man sich schon unver­dros­sen in den Berg hinein, und nach der Be­rechn­ung der Geometer mußte man bald auf bei­den Sei­ten zusammen stoßen. Man war gespannt, wann dieser große Augen­blick ein­treten würde. Und da, eines Tages hat­ten die Ar­beiter des eines Durch­bruches auf der Gegenseite schie­ßen hören. Las­sen wir die Orts­chronik über den Tag des Ge­lin­gens berichten, wir lesen:
Am elften Februar 1883, früh 4 Uhr 54 Mi­nuten, er­folg­te end­lich der Durch­bruch des am 1. Juli 1880 be­gon­nenen Brand­leite-Tun­nels. Die erste Öff­nung war etwa fünf­zig Zenti­meter im Durch­messer, so daß eine Per­son be­quem hin­durch kriechen konn­te. Die­ser Durch­schlag, der mit fast mathe­ma­ti­scher Ge­nau­ig­keit er­folg­te, wur­de am 21. Fe­bru­ar in einem Feste ge­feiert. Die zahl­reich ein­ge­la­denen und er­schie­nenen Gäste sowie ein Mili­tär-Musik­korps hat­ten auf (den) mit grünen Reißig und Gir­landen ge­schmück­ten Wagen Platz genommen und fuh­ren in den öst­lichen Ein­schnitt ein. Am Por­tal wurde ange­halten, die kleine, den Zug schie­bende Loko­motive abge­hängt und Pferde vor die Wagen gespannt. Ein langer Zug Ar­be­iter mit ihren bren­nenden Tun­nel­lampen schritt voran, und unter den Klän­gen eines rau­schenden Mar­sches be­weg­te sich Zug lang­sam in den Tun­nel. Dieser war an zahl­reichen Stel­len aufs Glän­­zendste illu­mi­niert und mit sin­nigen Trans­pa­renten ge­schmückt. Im In­nern des Tun­nels wur­den die Fest­teil­nehmer mit einem Im­biß und einem fri­schen Trunk er­quickt. Der Bau­inspektor Lenge­ling aus Mag­de­burg hielt die Fest­rede.

Aber es gab noch meh­rere Mo­nate ange­streng­te Arbeit; am 1. Au­gust 1884 konn­te der erste Zug den Brand­leite-Tun­nel durch­fahren.
 
Quelle: Zeitschrift »Durch alle Welt«, Verlag Peter J. Oestergaard, Berlin-Schöneberg, Heft 12, März 1936
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